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Projekt übernehmen oder besser doch nicht? – Karrierefaktor Projekt

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ihr Unternehmen erhält von einem Unternehmen eine Angebotsanfrage und bietet diesem die Durchführung eines Projekts an. Es werden alle wirtschaftlichen und technischen Details eines Werkvertrags mit dem Kunden verhandelt. Der Kunde nimmt das Angebot ihres Unternehmens an. Intern werden Ressourcen bereitgestellt und ein Projektmanager wird gesucht.

Erst jetzt werden Sie von Ihrem Unternehmen gebeten das Projekt zu übernehmen. Recht spät im Prozess der Projektinitiierung.

Gut für Sie, wenn ihr Unternehmen und alle Beteiligte sehr erfahren in der Projektarbeit sind und einen hohen Reifegrad im Projektmanagement hat. Schlecht für Sie als Projektmanager, wenn nicht.

Unrealistisches Szenario? Vergleichbares passiert bei einem Wechsel des Projektmanagers in einem laufenden Projekt, der aus unterschiedlichen Gründen veranlasst sein kann. Hier kommen jedoch noch weitere Aspekte hinzu.

Alle Rahmenbedingungen liegen bereits vor Ihrem Einsatz als Projektmanager fest. Auf was sollten Sie alles achten?

Beteiligung des Projektmanagers bereits frühzeitig im Projektinitiierungsprozess

Ein erfahrender Projektmanager kann relativ rasch die Problempunkte im Rahmen eines Projektinitiierungsprozesses erkennen/einschätzen und den Projektsponsor, Vertrieb und den Professional Service/Delivery darauf aufmerksam machen. Wird der Projektmanager nicht oder erst spät in den Projektinitiierungsprozess eingebunden, muss er darauf vertrauen, dass alle Beteiligte (u.a. Vertrieb mit Account-Manager, Professional Service, Delivery-Organisation), zuvor alles richtig gemacht haben oder es noch Möglichkeiten zur Korrektur gibt.

Idealerweise wird daher ein Projektmanager frühzeitig in den Projektinitiierungsprozess eingebunden. Schließlich hat er die Umsetzung des Projekts am Ende zu verantworten.

Projektinitiierungsprozess

Abbildung: Vereinfachter Prozess der Projektinitiierung

In vielen internen Richtlinien zur Projektabwicklung von Unternehmen wird häufig ein frühzeitiges Einbinden des Projektmanagers schon zu Beginn der Projektinitiierung gefordert.

Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist in der Praxis jedoch nicht immer der Fall:

Da erhält der Vertrieb eine Projektanfrage, die er zusammen mit der Delivery-Organisation bearbeitet. Der Projektumfang auf Basis der groben Anforderungen, ein grober Terminplan, ein attraktiver Leistungsumfang (ggf. mit Zusatzleistungen) und ein Angebotspreis für einen Werkvertrag werden zusammengestellt.

Der Projektpreis muss aber auch noch für das liefernde Unternehmen einen guten Deckungsbeitrag/Gewinn abwerfen und für den Kunden attraktiv sein. Günstige Personalressourcen werden zusammengestellt und geblockt, Arbeitskapazitäten und Ressourcenverfügbarkeiten festgelegt und dem Angebotspreis bzw. dem Deckungsbeitrag/Gewinnziel untergeordnet.

Jetzt gilt es noch rasch einen Projektmanager zu finden, der das Projekt verantwortlich umsetzen soll. 

Ist dieser namentlich bekannt, geht das Projektangebot an den Kunden raus.

Sie sind jetzt der Projektmanager

Als Projektmanager verbleibt Ihnen zu diesem Zeitpunkt nur noch die Gestaltung des Kick-Offs. Die Rahmenbedingungen sind bereits festgelegt. Ist der Vertrag vom Kunden angenommen, können Sie diese Rahmenbedingungen i.d.R. nur noch zur Kenntnis nehmen und haben wenig Spielraum für Anpassungen.

Welche Probleme und Sachverhalte ergeben sich nun für Sie als Projektmanager?

Der Projektmanager ist für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts verantwortlich. Im klassischen Sinne heißt das, dass Sie innerhalb des gegebenen Budget- und Zeitrahmens, qualitätsgerecht, den im Werkvertrag festgelegten Leistungs-/Projektumfang erbringen müssen. Im erweiterten Sinne, aus Kundensicht kommt heute häufig noch die unterschwellige Erwartungshaltung dazu, dass die mit dem Projekt verbundenen Ziele (wirtschaftliche, technische etc.) erreicht werden.

Ihr Unternehmen erwartet von Ihnen hingegen, dass Sie das Projekt so managen, das der angestrebte Deckungsbeitrag/Gewinnziel bei gleichzeitig hoher Kundenzufriedenheit erwirtschaftet wird.

Sie werden als Projektmanager später daran gemessen, ob Sie das Projekt erfolgreich umgesetzt haben. Das hat ggf. Einfluss auf Ihre weitere Karriere in Ihrem Unternehmen.

Sie fragen sich vielleicht, nachdem Sie alle vorliegenden Dokumente, u.a. den Werkvertrag studiert haben, ob Sie das Projekt ablehnen sollten, da Sie ggf. als erfahrener Projektmanager nicht von Anfang an beteiligt waren und jetzt einige nicht unerhebliche Risiken entdeckt haben.

Das ist oftmals keine Option, da Sie dann möglicherweise in Ihrem Unternehme kein wichtiges Projekt mehr angeboten bekommen.

Andererseits kann ein Projekt, das aufgrund schlechter Rahmenbedingungen in Schieflage gerät oder gar scheitert ebenfalls karriereschädlich für Sie sein.

Hier gilt es für Sie vor dem Hintergrund Ihrer Firmenkultur und des Projektarbeit-Reifegrades ihres Unternehmens abzuwägen, ob Sie das Projekt ausführlich und plausibel begründet ablehnen oder das Wagnis eingehen, das Projekt durchzuführen.

Wo liegen die möglichen Problempunkte? Was können Sie tun?

Problempunkt:  Fehlender Projektauftrag

Ein formaler Projektauftrag (nicht zu verwechseln mit dem Werkvertrag aus der Kunden-Lieferanten-Beziehung – Außenverhältnis) fehlt. Im vorliegenden Szenario ist dies ein Dokument, das im Innenverhältnis Vereinbarungen zum Projekt enthält.

Was in einem Projektauftrag enthalten sein sollte finden Sie hier: Der Projektauftrag – Das muss drinstehen! : https://www.projektmagazin.de/projektauftrag

Tipp:

Fehlt der Projektauftrag (Project Charter), erstellen Sie umgehend das Dokument und lassen Sie es von Ihren Projektsponsor/Vorgesetzten unterzeichnen. Es ist eines der wichtigsten Dokumente in einem Projekt überhaupt! Führen Sie eine Bestandsaufnehme durch. Tragen Sie alle Ihnen zugänglichen Informationen über das Projekt zusammen.

Stellen Sie im Rahmen der Erstellung des Projektauftrags fest, das Elemente fehlen oder nur unzureichend ausgearbeitet sind, dann erstellen Sie ein Risiko- und Problemregister. Machen Sie gegenüber Ihren Vorgesetzten deutlich, dass dies keine „Absicherungsstrategie“ für Sie ist, sondern Best Practice im Projektmanagement – Nachzulesen in allen einschlägigen Standards im Projektmanagement. Machen Sie Ihren Standpunkt deutlich.

Problempunkt:  Preiskalkulation und Budget

Der Angebotspreis, inklusive Risikozuschlag für einen Werkvertrag soll für den Kunden attraktiv sein. Schließlich will man ja das Projekt gewinnen. Eine typische Sicht des Vertriebs und der beteiligten Account-Manager.

Gleichzeitig soll das Projekt aber auch einen Deckungsbeitrag/Gewinn nach Unternehmensrichtlinien erwirtschaften. Eine typische und berechtigte Sicht der Delivery-Organisation und des Managements.

Damit liegen die Eckpunkte für das Projektbudget des betrachteten Leistungsumfangs fest. Und damit sind die Ausgaben für alle Ressourcen (u.a. Material, Personal, Services, etc.) limitiert.

Im Szenario waren Sie nicht an der Preis-/Ressourcenkalkulation und ggf. auch der Erstellung der Wirtschaftlichkeitsrechnung (Business Case) beteiligt und konnten so Ihre Erfahrungen und Einschätzungen nicht mit einbringen.

Tipp:

Schauen Sie sich die Angebotspreis-/Ressourcenkalkulation und Wirtschaftlichkeitsrechnung genau an und lassen Sie sich diese genau von den Erstellern erklären! Prüfen Sie, ob die getroffenen Annahmen aus Ihrer Sicht realistisch sind. Hinterfragen Sie die, den Annahmen zugrundeliegenden, Sachverhalte.

Fallen Ihnen Sachverhalte auf, die signifikante Schwächen aufweisen, dann erstellen Sie einen Eintrag in das Risikoregister. Führen Sie das bewertete Risiko auch im Projektauftrag auf. 

Problempunkt: Personalressourcen

Im Rahmen der Angebotspreis-/Ressourcenkalkulation werden erforderliche Personalressourcen grob abgeschätzt. Erfahrenes Personal ist jedoch knapp und teuer. Häufig wird ein Mix aus Senior- und Junior Professionals angestrebt. Die richtigen Personalressourcen stellen jedoch einen kritischen Erfolgsfaktor für Ihr Projekt dar.

Sie waren im Szenario nicht an der Grobkalkulation und Festlegung der Anzahl, Qualifikation, Erfahrung, Verfügbarkeit und Arbeitskapazität der erforderlichen Personalressourcen beteiligt. Die aus Ihrer Erfahrung/Einschätzung für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts  erforderlichen Qualifikationsprofile,  Verfügbarkeiten und Arbeitskapazitäten der Teammitglieder konnten Sie daher nicht einbringen. Denken Sie daran, dass Ihnen nicht immer die besten Personalressourcen zu 100% zur Verfügung stehen und Ihr Projekt mit anderen Projekten um dieselben Personalressourcen konkurrieren.

Tipp:

Prüfen Sie, ob die der Budgetkalkulation zugrundeliegenden Budgetanteile für die aus Ihrer Erfahrung/Einschätzung erforderlichen Personalressourcen (Qualifikation, Erfahrung, Verfügbarkeit und verfügbare Arbeitskapazität) ausreichend sind.

Passt aus Ihrer Sicht die ohne Ihre Beteiligung getroffene Ressourcenfestlegung, ist alles im grünen Bereich.

Falls nicht, sollten Sie einen Eintrag in das Risikoregister erstellen und das bewertete Risiko im Projektauftrag aufführen.

Problempunkt:  Zugesagter Leistungsumfang

Um den Angebotspreis niedrig und damit attraktiv zu halten, wird oftmals der Leistungsumfang auf das nötigste reduziert und geschickt kaschiert. Dabei wird jedoch nicht selten darauf spekuliert, dass der Kunde im Verlauf des Projekts die Erfordernis weiterer Ergänzungen erkennen wird. Hier erhofft man sich nach Vertragsunterzeichnung erhebliches Zusatzgeschäft durch Anforderungen, die erst im Laufe der Planung oder gar erst später eingebracht werden. 

Sie als Projektmanager müssen in diesen Fall Change Requests erstellen, hinsichtlich Kosten, Risiken und terminlichen Auswirkungen bewerten und am Ende Ihrem Kunden verkaufen. Nicht immer wird einverstanden sein über die höheren Kosten, Terminverzug oder Abstriche und es kann zu Konflikten kommen. Das belastet Ihr Vertrauensverhältnis zu Ihrem Kunden.

Tipp:

Vereinbaren Sie mit Ihrem Kunden frühzeitig einen Prozess, wie mit Änderungen (Change Requests) umgegangen werden soll. Machen Sie Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten dabei klar und zeigen Sie einen Eskalationspfad auf.

Stehen Sie Projekten kritisch gegenüber, von denen Sie schon von vorneherein erkennen, dass es zu weiteren signifikanten Anpassungen des Leistungsumfang kommen muss, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. Nur Ihr Kunde weiß es noch nicht. Das ist unseriös und ethisch sehr bedenklich. Darüber hinaus schadet es Ihrem Vertrauensverhältnis mit Ihrem Kunden und Ihrem Image als kompetenter Projektmanager. Nicht zuletzt auch dem Image Ihres Unternehmens.

Problempunkt:  Meilensteine / Terminplan

Im Szenario wurde ohne Ihre Beteiligung bereits ein grober Meilenstein-/Terminplan erstellt. Häufig werden hier die terminlichen Eckdaten des Werkvertrags festgelegt. Je nach Vertragsgestaltung kann es zu empfindlichen Vertragsstrafen kommen, wenn Termine nicht eingehalten werden.

Möglicherweise hat die Delivery-Organisation in Ihrem Unternehmen schon alle Ressourcen basierend auf diesen groben Meilensteinen/Terminen verfügbar gemacht, da der Werkvertrag von einem bestimmten Starttermin ausgeht. 

Wenn Sie im Rahnen der Phase Projektplanung, die sich an die Projektinitiierung anschließt, feststellen, dass die Termine nicht realistisch sind, haben Sie ein Problem.

Sie müssen einerseits Ihrem Kunden erklären, dass es hohe Risiken bei der Einhaltung der Termine geben wird. Darüber wird Ihr Kunde nicht sehr erfreut sein und Sie müssen Vertragsstrafen fürchten.

Andererseits wird die Delivery-Organisation in Ihrem Unternehmen Sie zu einem Change Request drängen, da ja ggf. schon die Ressourcen verfügbar gemacht sind, nun auf der Bank sitzen und auf ihren Einsatz warten. Das kostet schließlich ja auch Geld und belastet letztendlich auch den Deckungsbeitrag/Gewinnziel Ihres Projekts.

Tipp:

Von Ihnen als Projektmanager wird jetzt viel diplomatisches Geschick abgefordert. Das Vertrauen Ihres Kunden in Sie und Ihre Reputation als Projektmanager stehen auf dem Spiel. Auch das Vertrauen des Kunden in Ihr Unternehmen. Es hat sich bewährt absolut offen die Problematik mit dem Kunden zu diskutieren. Zögern Sie nicht und betreiben Sie keine „Salami-Taktik“ der scheibchenweisen Informationspreisgabe. Zeigen Sie Ihrem Kunden die Konsequenzen des Terminverzugs/Risiken auf und bieten Ihm gleichzeitig gangbare Lösungen an.

Treten Sie auch gegenüber Ihrem Unternehmen für dieses Vorgehen konsequent ein.

Übergreifende Tipps:

Haben Sie sich entschieden das Projekt trotz aller Unwägbarkeiten, die sich aus Ihrer späten Einbindung in den Projektinitiierungsprozess ergeben, durchzuführen empfehle ich Ihnen:

Erstellen und Führen Sie ein tagesaktuelles Projektlogbuch! Hintergründe und Entscheidungen werden häufig nicht dokumentiert und viele können oder wollen sich nach einiger verstrichener Projektzeit nicht mehr präzise daran erinnern.

Hier kann ein Logbuch helfen den Projektverlauf transparent und nachvollziehbar zu halten.

Informieren Sie regelmäßig das Management und die Stakeholder in Ihrem Unternehmen über die Entwicklungen im Projekt, über Risiken oder zu beseitigende Probleme. Eskalieren Sie Sachverhalte frühzeitig, auf die Sie keinen Einfluss haben.

Fazit

 

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